Von April bis Mai 2021 wurde in den Ländern Österreich, Bulgarien, Deutschland und Spanien eine Studie im Rahmen des Projektes STRESS LESS durchgeführt. Ziel dieses Projektes ist es, neue Lernmethoden zur Verbesserung der Kompetenzen von Beschäftigten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in Bezug auf das Arbeiten von zu Hause oder den Einsatz digitaler Technologien am Arbeitsplatz anzubieten und deren Umsetzung zu unterstützen. Der Fragebogen gliederte sich dazu in thematische Fragenblöcke zur Technologienutzung (vor, während und voraussichtlich nach der Pandemie), zu Belastungsfaktoren durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Belastungsfaktoren durch Homeoffice, individuellen Bewältigungsstrategien, gesundheitlichen und organisationalen Konsequenzen sowie Präventionsmaßnahmen. An der Umfrage nahmen insgesamt 182 Befragte teil.
Dabei lieferte die Studie einige interessante Ergebnisse zu Stress durch IKT-Nutzung und Homeoffice am Arbeitsplatz: In allen Ländern zeigte sich, dass die Teilnehmenden eher mäßige Kenntnisse über das Thema digitaler Stress aufweisen. Allerdings schätzen sich die Teilnehmenden in Deutschland deutlich höher ein als die Teilnehmenden in Spanien. Gleiches gilt für Führungskräfte im Vergleich zu Mitarbeitenden: Im Durchschnitt bewerten Führungskräfte ihr Wissen zu digitalem Stress höher als Mitarbeitende.
Darüber hinaus scheinen Unternehmen in allen vier Ländern sowohl im Unternehmen als auch zu Hause einen im Allgemeinen gut mit digitalen Technologien ausgestatteten Arbeitsplatz bereitzustellen. Diese Technologien werden von den Mitarbeitenden auch häufig genutzt. Während sich die wahrgenommene Gesamtintensität der Technologienutzung im Laufe der Zeit kaum ändert, hat sich die Nutzung einzelner Technologien, z. B. Online-Kommunikationstools, aufgrund der COVID-Umstände stark verändert. Außerdem wird nach der Pandemie nur ein leichter Anstieg im Vergleich zu den beiden anderen Zeitpunkten (vor und während der Pandemien) erwartet. Gleichzeitig nahm die Zahl der verwendeten Technologien mit dem Start der pandemie überraschend ab. Mögliche Erklärungen für diese Beobachtung könnten ein höheres Maß an Homeoffice und das Fehlen bestimmter Technologien bei der Heimarbeit – wie stationäre Telefone oder stationäre Computer – sein.
In Bezug auf Belastungsfaktoren durch IKT-Nutzung gaben 62% aller Teilnehmenden für mindestens einen Faktor starken Stress an. Als wichtigste Stressfaktoren wurden dabei Verunsicherung (das Gefühl, dass aufgrund des häufigen digitalen Wandels die eigenen Fähigkeiten regelmäßig weiterentwickelt werden müssen), Leistungsüberwachung (das Gefühl, durch den Einsatz digitaler Technologien überwacht zu werden), Überflutung (das Gefühl, dass die Arbeitsbelastung durch den Einsatz digitaler Technologien steigt), Omnipräsenz (das Gefühl, dass sich die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben immer mehr auflösen) und Unterbrechungen (das Gefühl häufiger Arbeitsunterbrechungen) genannt. Omnipräsenz war gleichzeitig ein wichtiger Faktor in Bezug auf emotionale Erschöpfung: Teilnehmende, die einen höheren Omnipräsenz-Wert angaben, berichteten ebenso von erhöhter emotionaler Erschöpfung. Auf Länderebene gaben insbesondere Teilnehmende aus Bulgarien einen höheren digitalen Stress an. Im Gegensatz dazu berichteten Teilnehmende aus Deutschland die niedrigsten Werte. Ein möglicher Zusammenhang könnte dabei zum höheren Wissen der deutschen Teilnehmenden über digitalen Stress bestehen, indem das daraus resultierende Bewusstsein eine bessere Stressbewältigung ermöglicht. In allen Ländern sind Führungskräfte zudem tendenziell stärker gestresst als Mitarbeitende. Schwerwiegende Faktoren waren hier ebenfalls Überflutung und Unsicherheit.
Bezüglich der Homeoffice-Stressoren gaben 38% aller Teilnehmenden für mindestens einen Belastungsfaktor starken Stress an. Die am häufigsten genannten Faktoren waren „kann Heimarbeit und Freizeit nicht trennen“ und „keine Zeit zum Entspannen“. Teilnehmende, die bei „keine Zeit zum Entspannen“ höhere Werte angaben, berichteten zudem, emotional erschöpfter zu sein. Geschlechtsspezifisch sind Frauen durch Homeoffice tendenziell stärker gestresst als Männer. Auf Länderebene sind die Ergebnisse ähnlich wie bei den Belastungsfaktoren durch IKT-Nutzung: Teilnehmende aus Bulgarien gaben einen höheren Stress an und Teilnehmende aus Deutschland gaben die niedrigsten Werte an, Führungskräfte sind dabei in allen Ländern tendenziell stärker gestresst als Mitarbeitende. Vor allem „keine Zeit für private Betreuung“ scheint für sie einen starken Belastungsfaktor darzustellen.
Zur individuellen Stressbewältigung durch IKT-Nutzung und Homeoffice versuchen die Teilnehmenden ähnliche Strategien zu verwenden, folglich sind keine signifikanten Unterschiede zu erkennen. Die grundsätzliche Art der Strategie variiert jedoch: Aktiv-funktionales Coping (z. B. Hilfe/Rat suchen) und kognitiv-funktionales Coping (z. B. die Situation akzeptieren) werden häufiger eingesetzt als dysfunktionales Coping (z. B. das Problem ignorieren).
Bezüglich einiger gesundheitlicher und organisationaler Konsequenzen von Stress berichteten die Teilnehmenden von einem generell guten allgemeinen Gesundheitszustand sowie eher hoher wahrgenommener Produktivität und Arbeitszufriedenheit. Die berichteten Werte der emotionalen Erschöpfung waren jedoch ebenfalls auf einem eher höheren Niveau, was für die Mitarbeitenden dementsprechend eine Herausforderung zu sein scheint. Dabei gaben Teilnehmende aus Österreich eine signifikant höhere emotionale Erschöpfung an als Teilnehmende aus Deutschland.
Zuletzt fragte das Projektteam nach bereits etablierten und zukünftig gewünschten Präventionsmaßnahmen. Dabei wurden Workshops und Gesundheitstage als die am häufigsten umgesetzten und auch nachgefragten Maßnahmen genannt. Darüber hinaus wünschten sich die Probanden insbesondere Gefährdungsbeurteilungen, Beratungsstellen und App-Guides für die zukünftige Prävention. Auf Länderebene gaben die Teilnehmenden aus Spanien einen geringeren Level umgesetzter Präventionsmaßnahmen an als Probanden der anderen drei Länder. Darüber hinaus variierten auch die jeweiligen Präferenzen: Teilnehmende aus Spanien fordern insbesondere Risikobewertungen und interne Schulungen, deutsche Teilnehmende bevorzugen Workshops und Führungskräftetrainings, bulgarische Teilnehmende gaben Workshops und Gesundheitstage als wünschenswert an, Teilnehmende aus Österreich hingegen stimmten für Workshops, Führungskräftetrainings und Gesundheitstage. Die allgemeinen Zukunftserwartungen für Stress am Arbeitsplatz wurden schließlich unterschiedlich berichtet: Teilnehmende aus Spanien sind grundsätzlich positiver und erwarten, dass Stress durch IKT-Nutzung und Homeoffice nach der Pandemie abnehmen wird. Teilnehmende aus Deutschland hingegen äußerten sich in diesem Zusammenhang eher pessimistisch.
Insgesamt zeigte die durchgeführte Studie die generelle Wichtigkeit des Themas Stress durch IKT-Nutzung und im Homeoffice. Darüber hinaus konnten zahlreiche wertvolle Informationen gesammelt werden, die in den nächsten Projektschritten nützliche Erkenntnisse auf dem Weg zu weniger Stress an modernen digitalen Arbeitsplätzen liefern werden.
"Falls Sie an detaillierten Informationen zu unserer Forschung und deren Ergebnissen interessiert sind, können Sie hier eine ausführliche Präsentation herunterladen:
Umfrageergebnisse (in englischer Sprache)"